Gitte Härter im Interview:
Im Plankton bessere Themen finden

Wirklich knackige Themen für Blog & Co. zu finden, ist gar nicht so einfach. Das Problem dabei: Die Themen werden meist zu groß gehalten. Daraus resultieren oberflächliche Beiträge, die für Leser:innen nicht sonderlich wertvoll sind. Als Unternehmen gewinnt man so keinen Blumentopf.
Gitte Härter nutzt einen sehr schönen Ansatz, um Blogger:innen zu helfen, bessere Themen zu entwickeln. Gitte ist Schreib-Coach, bloggt seit über 10 Jahren und hat unzählige Bücher veröffentlicht. Ende 2020 ist damit Schluss. Dann widmet sie sich dem nächsten Kapitel ihrer Selbständigkeit. Bevor sie aber den Stift an den Nagel hängt, habe ich sie zu ihrem Plankton-Ansatz befragt.
Du empfiehlst Blogger:innen, bei der Themenwahl ins Plankton zu gehen. Was meinst Du damit?
Mein allererster Schreibworkshop für Selbstständige fand seinerzeit am Starnberger See statt. Zum Auftakt ging es ums Themenfinden und -formulieren, und dabei wurde mir bewusst, dass alle viel zu riesige und vor allem schwammige Themen ausgewählt haben.
Zur Erklärung habe ich dann den Starnberger See genommen: Stellt euch vor, euer gesamtes Fachgebiet ist so groß wie der See (z. B. Kommunikation). Den kann man unterteilen in weitere immer noch ziemlich weite Unterbereiche (z. B. Konflikte, Präsentieren, Verhandeln). In jedem dieser Bereiche schwimmen viele Fische rum, ich kann also beispielsweise den Bereich »Verhandeln« nochmal runterbrechen in Aspekte wie »gegenhalten«, »überzeugend argumentieren«, »zum Handeln einladen«.
Kurz: Themen sind komplex. Damit ein Blog- oder Newsletterartikel wirklich was bringt, müssen wir kleine Themenfacetten (das Plankton) rauspicken und in einen ganz spezifischen Kontext setzen (der Plankton-Arbeitstitel). Denn auch zu einem klitzekleinen konkreten Thema lassen sich viele verschiedene Artikel schreiben.
Hast Du ein Beispiel für uns?
Klar.
Nehmen wir einen Kommunikationstrainer, der einen Blogartikel schreiben will, in dem er seinen Lesern Tipps zum Neinsagen gibt.
Worum genau geht’s ihm denn?
- Wenn dein Nein nicht akzeptiert wird, liegt das wahrscheinlich an dir: 5 Nein-Formulierungen, die beim Empfänger wie ein Ja oder Vielleicht klingen
- Angst, anderen einen Korb zu geben? – Die 5 Zutaten, damit dein Nein eindeutig und freundlich ankommt
- Wie du Nein sagen kannst, ohne dass es zu weiteren Diskussionen kommt
- Warum gerade Freunde und Familie froh sind, wenn du »Nein« sagst, auch wenn sie lieber ein Ja gehört hätten
- Wie du mit Mimik und Körperhaltung dein Nein unterstützen kannst, statt es zu unterminieren
- 10 Alltagssituationen, in denen du hervorragend das Neinsagen üben kannst, ohne dass irgendwas auf dem Spiel steht oder du dich blöd fühlst.
- Bist du ein chronischer Neinvermeider? – Warum dich Ausreden à la »Ich kann leider nicht« / »Ich hab Kopfweh« mittel- und langfristig in den Arsch beißen
Das sind nur sieben Beispiele, und aus jedem dieser Arbeitstitel entstünde ein eigener, völlig anderer Blogartikel.
- So bekomme ich mein Thema selbst viel besser zu greifen. Ich tue mich sehr viel leichter, das dafür relevante Know-how / Ansichten / Erfahrungen / Beispiele mal eben aus dem Kopf zu holen. Wähle ich ein zu schwammiges Thema, etwa »5 Tipps fürs Neinsagen«, habe ich ein äußerst weites Feld vor mir – und da kommt möglicherweise ein ganz netter Artikel bei raus, aber die Inhalte werden willkürlicher, gewöhnlicher und fallen grobmaschiger aus.
- Ich komme von vornherein in die Tiefe. Und nur in der Tiefe steckt der Lesernutzen. Wenn ich nur wiederkäue, was überall sonst schon steht, braucht man mein Blog nicht zu lesen. Und wenn ich nur larifari bisschen andeute, anstatt ins Detail zu gehen, haben die Leser nicht viel davon – oder sind enttäuscht. Für Dienstleister gibt es noch eine weitere große Gefahr: Ihre Herangehensweise und Informationen wirken zu trivial. Zu so jemandem soll ich mit meinem Problem gehen? Für sowas soll ich bezahlen?
- Das Schreiben wird viel spannender und eigener: Wir alle kennen uns top in unserem Fachgebiet aus, aber manches interessiert einen mehr – und anderes kann man nicht mehr hören. Ich habe früher mal Bewerbungscoachings gemacht und viel darüber geschrieben. Irgendwann hatte ich das Gefühl: »Wenn ich noch einen Text schreiben muss, was beim Lebenslauf wichtig ist, schreie ich!«
Durch Plankton-Themen habe ich sehr viel mehr Vielfalt und kann mir sogar langweilig gewordene Themen wieder spannend machen. Vielleicht will ich keine Routinetexte mehr zum Lebenslauf schreiben, sondern darüber: »Ich habe ein selbst verschuldetes Loch im Lebenslauf durch einen höchst unvorteilhaften Grund (weil ich im Gefängnis war oder statt dem Studium nur Party gemacht habe). Soll ich jetzt lügen oder in die Offensive gehen?«
Ach ich sollte vielleicht noch mal das »Arbeitstitel« betonen: Der Plankton-Arbeitstitel ist eine vorläufige Überschrift, die mir als AutorIn klipp und klar sagen soll, worauf der Text rausläuft. Er hat nichts mit der später veröffentlichen Überschrift zu tun – darum darf ein Arbeitstitel krasser klingen oder umgangssprachlich oder holpern oder länger ausfallen. Es zählt einzig und alleine die Aussagekraft. Wer sein Thema von Anfang an richtig klar ausrichtet, der schreibt nicht nur zielgerichteter, sondern auch schneller. Weil ich eben nicht ins Blaue schreibe und in einem viel zu großen Thema umherrudere.
Warum sind zu große Themen problematisch?
Neben dem eben schon erwähnten Grund, dass man überhaupt nicht zielgerichtet sein Wissen aus dem Kopf holen kann (was das Bloggen extrem langwierig und mühselig macht) werden Texte sehr oberflächlich, wenn ein zu großes Thema mal eben in einen Artikel gepresst werden soll.
Das wiederum führt dazu, dass:
Der Text bringt nicht sonderlich viel, weil er den Lesern nur sagt, was sie eh schon wissen – oder sie enttäuscht im Regen stehen lässt, wenn lediglich behauptet und angedeutet wird.
Es wird austauschbar. Je allgemeiner ein Thema behandelt wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche Informationen darin schon zigfach woanders stehen. Meist sind zu große Themen außerdem sehr neutral formuliert, sodass die eigene Persönlichkeit, Ansicht, Erfahrung nicht – oder zu wenig – einfließt.
Die Inhalte werden leider schnell trivialisiert: Alles wird vereinfacht dargestellt oder es bleibt bei Appellen à la Tu dies! Denk dran! Du brauchst nur! – Der Leser fühlt sich nicht ernstgenommen oder schüttelt den Kopf: »Der Autor hat eine sehr oberflächliche Sicht der Dinge / versteht die genaue Situation nicht / ist nicht aus der Praxis).«
Wer schreibt, um damit Marketing für sein Business zu machen, schneidet sich so ins Fleisch. Vor allem aber macht er sich unnötig Arbeit mit der Schreiberei. Denn Texte, die den Lesern nichts bringen, führen weder zu mehr Bekanntheitsgrad, noch zu Aufträgen.
Es gehen ziemlich schnell die Themen aus! Gerade ein Blog lebt von kurzen Intervallen über Jahre hinweg. Wer immer mit viel zu großen Artikeln hantiert, dem geht schnell die Luft aus. Das sind dann die Kunden, die kommen und sagen »ich weiß nicht mehr, worüber ich bloggen soll, ich hab schon alles gesagt«. Die gute Nachricht: Das gibt’s gar nicht.
Welche Tipps kannst Du Blogger:innen geben:
Wie findet man Plankton-Themen?
Eine kleine Themenfacette rauspicken und total konkret werden. Das ist Übungssache, weil wir das nicht gewohnt sind. Darum ist es ganz normal, am Anfang auf dem Schlauch zu stehen oder trotz Runterbrechens immer noch zu groß zu sein. – Erinnert euch: Es heißt nicht umsonst Plankton. ?
Am besten hilft es, von der Zielgruppe auszugehen. Wir als Fachleute wissen genau, wo es hakelt, wir kennen die Stolpersteine, die (oft immer gleichen) Fragen – und wir beobachten im Alltag mit unseren Kunden, was da so abgeht. Dieses Reinzoomen in die Details ist der perfekte Ansatzpunkt. Dazu gehört, dass ich mir pro Text klar werde, für wen genau ich diesen speziellen Artikel denn schreibe. Die Zielgruppe für einen Blogartikel ist nämlich nicht immer 1:1 identisch mit der meines gesamten Blogs. Ich habe beispielsweise ein Blog für Führungskräfte, aber bei manchen Texten wende ich mich an frischgebackene Vorgesetzte, bei anderen an solche, die konfliktscheu sind oder ziehe Dampfplauderern den Zahn. Dadurch verändert sich, was ich wie anspreche.
Du rätst, den Blickwinkel zu wechseln, um zu einem Thema verschiedene Plankton-Themen zu erarbeiten. Wie funktioniert das?
Das Gute: Schreiben ist Freiheit.
Es gibt keine starren Regeln, wir können in unserem Blog (oder Newsletter) tun und lassen, was wir wollen. – Blickwinkel heißt darum einfach mal nur: Das Thema von verschiedenen Seiten betrachten.
Sagen wir, ich bin Führungskräftetrainerin und will thematisieren, dass es schon mal vorkommen kann, dass in einem Mitarbeitergespräch Tränen fließen.
Verschiedene Blickwinkel wären:
- Was ist da los? Warum kommt das überhaupt vor?
- Wie schätze ich die Situation ein (Werde ich hier manipuliert, sind das Krokodilstränen oder ein Ablenkungsmanöver – oder unterstelle ich das? …)
- Wie geht’s jetzt dem anderen damit (Meinem Gegenüber ist das peinlich, es kann grad gar nicht mehr richtig denken, fühlt sich schwach, befürchtet, dass sein Image beschädigt ist oder es ist eine Mitarbeiterin, die jetzt denkt »typisch Frau, ich heulsuse hier rum« …)?
- Was machen die Tränen mit mir, der Führungskraft (Verliere ich auch die Fassung, fühle ich mich schlecht, werde ich aggressiv, tröste ich, könnte ich schier mitheulen, finde ich es peinlich oder kann es nicht respektieren, wenn im Beruf geweint wird …)
- Wie kann ich die Situation wieder auf Kurs bringen (Dafür sorgen, dass der andere die Fassung wieder gewinnt, inhaltlich auf weniger emotionales Terrain zurückführen, dafür sorgen, dass das Gespräch weitergeführt werden kann, dass ich nicht etwa zurückrudere oder einlenke – soll ich trösten, schimpfen, es ignorieren oder vertagen? …)
- Wie sollte ich mein Büro ausstatten? (Gerade bei aufgeladenen Themen für Sichtschutz sorgen, eventuell eigene Gesprächsecke einrichten / Möbel umstellen, Rollo bei Glasbüro oder Fenstern, Taschentücher haben, oder sensible Gespräche in einem anderen Zimmer machen, …)
Wohlgemerkt: Das sind jetzt nur ein paar Blickwinkel! Hinter jedem dieser verschiedenen Aspekte stecken jeweils Dutzende einzelner Plankton-Arbeitstitel.
Gibt es einen Kniff, mit dem ich testen kann, ob ich einen guten Plankton-Arbeitstitel habe oder ob noch mehr geht?
Grundsätzlich gilt:
- Schlagwörter sind immer dein Feind! Wenn da nur steht »3 Tipps zu Kommunikation«, »Besser kochen« oder »Motorradwartung«, dann kann das alles sein. Also immer klein, konkret und eine klare Aussage, worauf der Text rausläuft.
- Kurz abchecken: Könnte man ein Buch dazu schreiben oder ein gesamtes Blog damit füllen? Das klingt absurd, und doch erlebe ich ständig, dass Kunden einfach nicht darauf achten. Sobald ich sage »Das ist so komplex, da werden Bücher zu geschrieben«, kommt sofort ein: »Du meine Güte! Ja natürlich!« … ein schönes Beispiel ist das »Nein sagen« von eben: »Tipps zum Nein sagen« klingt halt klein, aber sobald man – gerade als Fachmensch – kurz drüber nachdenkt, merkt man gleich: Freilich ist das komplexer als es klingt, erst recht wenn ich Blickwinkel und Zielgruppen berücksichtige. Ich könnte sofort ein Blog aufmachen und jahrelang Texte rund ums Nein sagen schreiben. Ich persönlich »zwinge« meine Kunden immer zum Konzipieren. Also VOR dem Schreiben des ersten Wortes klare Entscheidungen für den Text zu treffen und mir darauf basierend die Kerninhalte aus dem Kopf zu holen. Erst dann wird geschrieben. So merke ich nämlich beim Vorausdenken sehr schnell, ob das Thema noch viel zu riesig ist oder ob ich ein gutes Plankton-Thema gerade versehentlich wieder explodieren lasse und viel zu viel reindrücken will. Und es gibt kein ständiges Ändern und Umwerfen, was das Schreiben unrentabel macht. Bloggen zahlt uns ja niemand.
- Am besten immer davon ausgehen, dass es noch nicht konkret genug ist! Das stimmt bei Plankton-Neulingen in 90 % der Fälle. Man merkt das auch schnell, wenn man den Arbeitstitel aufmerksam anschaut: Steht da jetzt wirklich, worauf der Text hinausläuft oder stelle ich gerade nur mal was in den Raum? – Immer, wenn man genauer erklären müsste, was man überhaupt meint, ist der Arbeitstitel nicht konkret. Stelle ich fest, dass mein Arbeitstitel aussagekräftig ist, ist die zweite Frage: Ist das Thema wirklich geeignet, es »mal eben« in einem kurzen Artikel zu erledigen? – Das weiß man als Fachkraft nämlich sehr wohl. Wenn ich schreibe »So machen Sie Ihre Einnahme-Überschuss-Rechnung selbst« dann klingt das klein, aber jeder weiß, dass man keineswegs eine komplette Anleitung zum Selbermachen mal eben in einen kleinen Blogartikel packen kann. Also zoome ich weiter rein in Einzelaspekte, gehe auf typische Fragen oder Missverständnisse ein, kann Tipps geben oder spezielles Know-how, mit der Maßgabe: Meine Laien-Leser sind selbstständig und haben das noch nie selbst gemacht – welche Artikel (Mehrzahl) brauchen sie dafür, um das Wichtigste zur Einnahme-Überschuss-Rechnung zu wissen?
Das Plankton ist dein Freund!
Vielen Dank, liebe Gitte, für Deine wichtigen und hilfreichen Einblicke ins Plankton.
Hier finden Sie Gitte Härter im Netz:

Autor: Sascha Theobald
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