Selbst und ständig? Warum ich anders auf die Selbständigkeit blicke.

Die Redewendung »selbst und ständig« ist ein Klassiker bei Selbständigen. Ich mag es nicht mehr hören. Selbständigkeit ist kein Ponyhof. Klar. Aber welche Haltung steckt hinter dieser Aussage? Ein Plädoyer für einen anderen Blick auf die Selbständigkeit und ein sanfter Tritt in den Allerwertesten.
Frau steht am Meer und breitet die Arme aus © Fuu J – unsplash.com

Letzten Sonntag habe ich »Kitchen Impossible« geschaut. Tim Mälzer hat die Köchin Maria Groß eingeladen, um sich mit ihr in Koch-Duellen zu messen. Jeder Koch reist in zwei Länder, in denen ihm je ein besonderes Gericht serviert wird. Er muss dieses dann ohne weitere Informationen über Zutaten und Zubereitung vor Ort nachkochen. Stammgäste des Original-Kochs testen und bewerten das Ergebnis.

Ich mag das Format, weil es neben dem Wettstreit schöne Geschichten von Menschen aus verschiedenen Ländern und deren Art zu Kochen gibt.

In der dritten Reise dieser Folge steht Tim Mälzer in einem veganen Restaurant in London und schnibbelt Brokkoli. Dabei sagt er etwas über seinen Erfolg, das bei mir hängen geblieben ist.

»Ich glaube, ein Teil meines Erfolges liegt darin, dass ich echt an mich geglaubt habe, als ich mich selbständig gemacht habe. Ich wollte nicht besser als andere Leute sein, ich wollte nur sein wie ich. Ich habe gemerkt, dass das, was ich erzählen möchte in der Kulinarik, dass das ’ne gute Geschichte ist.«

Ich hatte bereits darüber geschrieben, dass Selbständigkeit für mich bedeutet, dass ich ständig ich selber sein kann. Und nun sagt Tim Mälzer diese Sätze. Ein dezenter Schubs, mir dieses Thema noch mal hier im Blog vorzunehmen.

Selbständige sind selbst verantwortlich

»Selbst und ständig« hat für mich diesen Unterton – als hätten wir Selbständige keine andere Wahl. Wir müssen rund um die Uhr schuften, alles selber machen, um am Ende des Monats ein paar Euro übrig zu haben. Das widerspricht meiner Definition von Selbständigkeit. Wir machen uns doch selbständig, um frei agieren zu können. Um nicht mehr die Anweisungen eines Chefs befolgen zu müssen. Um das eigene Ding durchziehen zu können. Das muss doch nicht in Selbstausbeutung enden. Warum denken anscheinend so viele Selbständige, dass sie bei den Rahmenbedingungen ihres Business machtlos sind?

Es liegt an uns, unser Business so zu gestalten, dass wir gerne darin arbeiten. Und dass Einsatz und Ergebnis unseren Wünschen entspricht – wie auch immer diese aussehen mögen. Es liegt doch in unserer Verantwortung, wie wir arbeiten, mit wem wir arbeiten und was wir damit verdienen. Und es steht uns völlig frei, Aufaben abzugeben. Es gibt so tolle Freiberufler und Kollegen da draußen. Niemand muss den Status Quo ertragen. Es sind nicht die Kunden schuld. Es ist nicht die Branche. Es liegt in unserer Hand. Love it, change it or leave it. Selbständige sollten sich der Gestaltungsmöglichkeiten bewusst sein und diese nutzen.

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»Dein Ding« oder ein weiterer Abklatsch?

Wir reden oft davon, was wir tun müssen, damit unser Business dem Kunden gefällt. Ein wichtiger Schritt, wenn ich mit Selbständigen an ihrer Positionierung arbeite, ist die Frage nach dem Wunsch-Business. »Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich ihr Wunsch-Business vor. Beschreiben Sie es mir! Wie arbeiten Sie? Mit wem arbeiten Sie? Wo arbeiten Sie? Was tun Sie?« Es braucht meist nicht lange bis die Augen leuchten. Da entsteht etwas im Kopf, das dem Ganzen einen großen Schub gibt. Da entsteht eine Motivation aus dem tiefsten Inneren. Das hat Seele und Strahlkraft. Das muss nicht nach außen künstlich aufgehübscht werden. Der Selbständige bekommt ein klares Bild von seinem Business und geht mit voller Überzeugung und Motivation nach außen. Das merken auch potenzielle Kunden. Natürlich ist das alleine auch noch keine Erfolgsgarantie. Es sind aber die besten Voraussetzungen für ein Business mit hoher Anziehungskraft auf Ihre Wunschkunden.

Ich habe festgestellt, dass sich Selbständige die Frage nach dem Wunsch-Business selten selber stellen. Sie hüpfen in die Schublade und nehmen an, was man in ihrem Bereich halt so macht. Oft ziehen sie sich damit eine Jacke an, die nicht richtig sitzt. Die Folgen spüren sie dann erst eine Weile später, wenn sie merken, dass Sand im Getriebe ist. Ist das Übernehmen des vorgegebenen Berufsbildes nicht eigentlich eine Angestellten-Denke? Wir Selbständigen sollten uns unser Business passgenau gestalten und regelmäßig nachjustieren.

Der ständige Blick zum Wettbewerb lenkt vom Wesentlichen ab

Viele Selbständige orientieren sich am Wettbewerb und was man halt so in der Branche macht. Statt sich sein eigenes Business zu schaffen, setzen sie sich in die große Schublade. Willkommen Vergleichbarkeit! Die Orientierung am Wettbewerb macht nicht nur vergleichbar. Konkurrenzkampf verschwendet Energie und blockiert. Wenn sich alle am Wettbewerb orientieren, bekommen wir eine große Suppe mit vergleichbaren Klößchen. Und ich bin davon überzeugt, dass das Unternehmen schwächt. Denn sie orientieren sich nicht an ihren eigenen Stärken und Besonderheiten.

Gerade Selbständige werden besonders stark, wenn sie ihr spezielles, eigenes Ding machen. Wenn sie an ihre Idee und ihre Story glauben. Wenn sie sich auf genau die Wunschkunden ausrichten, mit denen sie gut und gerne arbeiten. Wenn sie so arbeiten, wie es ihrer Natur entspricht und sie ihr Business darauf ausrichten. Der Wunschkunde wird sich viel leichter für Sie entscheiden können, weil sich Ihr Unternehmen mit klarer Haltung aus der Masse abhebt und er sich besser aufgehoben fühlt.

Ihr Business, Ihr Angebot

Wir Selbständigen haben den großen Vorteil, dass wir selbst entscheiden, was wir anbieten und mit wem wir arbeiten. Kein Chef sagt uns, was wir zu tun haben. Sie haben keine Lust auf Stundenabrechnungen? Bieten Sie es nicht an! Sie wollen langfristig mit Kunden arbeiten? Formen Sie passende Angebote! Sie arbeiten besonders gut mit Ingenieuren? Dann arbeiten Sie ein Angebot speziell für diese Menschen aus! Und sagen Sie bewusst »Nein« zu unpassenden Aufträgen. Das braucht ein wenig Mut. Und gerade in finanziell knappen Zeiten fällt dieser Schritt schwer. Aber ich bin davon überzeugt, dass man so sein Business langfristig nach vorne bringt.

Wenn Sie »selbst und ständig« arbeiten, stimmt vermutlich Ihr Angebot nicht. Sie verkaufen etwas, mit dem Sie mit einem vernünftigen Zeitaufwand nicht ausreichend Geld verdienen. Ich lasse jetzt die Menschen mal raus, die rund um die Uhr arbeiten, um sich den fünften Porsche vor die Tür zu stellen. Wenn ich mit Selbständigen über Honorare spreche, geht es den meisten darum, vernünftig von den Einnahmen leben zu können und ausreichend Zeit für Familie, Freunde und Freizeit zu haben. Schaffen Sie einen hohen Wert für Ihre Wunschkunden, kommunizieren Sie diesen Wert klar und arbeiten Sie an der stetigen Verbesserungen Ihrer Arbeit. Erreichen Sie ihren Wunsch-Umsatz mit 5 verkauften Tagen pro Monat, können Sie sich in der übrigen Zeit um Fortbildung, Familie und Freizeit kümmern.

Viele Selbständige schieben das klassische Produktportfolio ihrer Branche vor sich her. Damit sind sie dann mehr oder weniger glücklich und erfolgreich. Ich plädiere dafür, sich die Rosinen rauszupicken und deren Wert kontinuierlich zu steigern. Damit meine ich erst mal nicht den Preis. Es geht darum, wie wertvoll der Kunde Ihre Arbeit empfindet. Ist Ihre Lösung für ihn besonders wertvoll, wird er gerne höhere Honorare zahlen. Welches Angebot ist für Ihre Wunschkunden besonders interessant und für Sie passend und lukrativ? Schmeißen Sie alles andere raus und polieren Sie Ihre Spezialitäten auf Hochglanz. Ob Sie der Anwalt mit dem Bauchladen oder der Datenschutz-Spezialist mit 600 Euro Stundensatz sind – Sie haben es in der Hand. Sie sind selbständig.

Selbständigkeit braucht Freiräume

Um der »selbst und ständig«-Falle zu entkommen, braucht es Freiräume. Es braucht Zeit für Strategie, Kreativität, Fortbildung und konzentrierter, inhaltlicher Arbeit. Wie können Sie dem Mittelmaß entkommen, um nicht mehr ständig mit hoher Drehzahl für Ihr Geld arbeiten zu müssen? Wie schaffen Sie ein erfüllendes Business, dass für Ihre Kunden besonders attraktiv ist? Das alles kann man nicht zwischen Tür und Angel angehen. Verlassen Sie bewusst den Alltag und nehmen Sie sich Zeit für diese wesentlichen Fragen.

Die Aussage »selbst und ständig« widerspricht aus meiner Sicht dem Kern der Selbständigkeit. Die Haltung dahinter bremst Menschen aus. Seien Sie sich Ihrer Selbstverantwortung bewusst und gestalten Sie ihr Business! Dann können Sie auf diese Worte aus voller Überzeugung verzichten.

Zuletzt aktualisiert: 09.03.2023

Porträt Sascha Theobald – Sparringspartner für Positionierung

Autor: Sascha Theobald

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Ich unterstütze Selbständige dabei, sich klar zu positionieren. Damit sie in ihre Stärke finden, selbstbestimmt arbeiten und ihr Potenzial nutzen. Seit 20+ Jahren bin ich im Marketing unterwegs, seit 15+ Jahren selbständig.
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